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Rechtsprechung in der DDR hatte mit Gerechtigkeit wenig zu tun. Unter der strengen Führung der SED waren Gerichtsurteile schlagkräftige Instrumente zur Sicherung des totalitären Regimes. Bedingungslose Parteitreue von Richtern und Staatsanwälten gehörten zur Normalität. Das bekam auch der Anwalt Dieter Gräf in zahlreichen Prozessen zu spüren. In seinem Buch beschreibt der Jurist nicht nur ungeheuerliche Vorgänge und rücksichtslose Verfahrensweisen der Rechtsbeugung, er macht zugleich auch erschütternde Schicksale von Angeklagten lebendig, die der staatlichen Macht hilflos ausgeliefert waren.

 

Zwanzig Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer werden vermehrt Stimmen laut, welche die Deutsche Demokratische Republik schönreden und ihr Wesen als Unrechtsstaat marginalisieren wollen. Anstatt an die Willkür des Regimes zu gemahnen, wird die DDR oftmals nostalgisch verklärt. Dieter Gräf, von 1970 bis 1982 in Weimar als Rechtsanwalt tätig, wehrt sich gegen diese Tendenz. In seinem vorliegenden Buch schildert er, wie beugsam das damalige Recht der DDR war, wenn es darum ging, die totale Kontrolle über die Bürger zu erhalten. Als Verteidiger der Angeklagten wurde er in der seriösen Ausübung seines Berufs gehindert und hintergangen. Wiederholt konnte er seine Mandanten, obgleich ihnen nichts Strafwürdiges vorzuwerfen war, nicht vor dem langen Arm der Partei retten. 

Dieter Gräf erzählt in Einzelfällen, wie die Verteidigung politisch Gefangener ablief, welche künstlich erzeugten bürokratischen Hindernisse er zu überwinden hatte, welche Aussagen zurückgehalten oder Tatsachenbestände unterdrückt wurden. Er berichtet von Bürgern, die der Republikflucht, der Arbeitsbummelei oder des Rowdytums angeklagt und zu unverhältnismäßig hohen Strafen verurteilt wurden, obwohl sie sich nach menschlichem Ermessen nichts hatten zuschulden kommen lassen, und zeigt die gängige Ehescheidungspraxis ebenso auf wie die fragwürdige Urteilssprechung über Jagdwilderer oder Mörder. In allen Kapiteln wird deutlich: Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte hatten der Parteilinie zu gehorchen, Rechtsprechung verfolgte ausschließlich das Ziel, den Machtapparat der SED zu erhalten. Wer sich querstellte wurde bestraft. 

Ein beklemmendes Portrait der Parteilichkeit Justitias und eine Anklage an das DDR-Regime, das die freiheitlichen Rechte ihrer Bürger vorsätzlich missachtete.


Herbig Verlag

1. Auflage 2009, 256 Seiten

ISBN: 978-3-7766-2614-8

9,95 €