Nachdem mit Beginn des 21. Jahrhunderts der Mauerbau als politisches Prinzip wieder in Mode zu kommen scheint (an den EU-Außengrenzen, zwischen Amerika-Mexiko, in Israel), erinnert sich Sigrun Casper an „unsere“ Mauer, die sich vor 20 Jahren öffnete – dem Quell zahlreicher kleiner und großer atmosphärisch dichter Ost-West-Geschichten.
Auch zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer berühren uns diese individuellen Fluchtgeschichten, weil sie zeigen, mit welchem Einfallsreichtum Menschen versuchten, dem real existierenden Sozialismus zu entkommen. Sigrun Caspers Beschreibungen und ihr gebrochener Westostblick sind voller Selbstironie und sehr unterhaltsam zu lesen. Sie erzählt von der Verkäuferin in der Deutschen Bücherstube und deren Kunden, die um die Ecke aus dem Berliner Ensemble oder der Artistenschule kamen, vom Pressecafé, von der Galerie Konkret, von einigen Bildern von DDR-Malern, von Flucht, späteren Grenzübertritten, Verwandtschaftsbesuchen und Reisen und nicht zuletzt von Berlin.
Es sind keine „großen“ Mauerdramen, sondern kleine alltägliche Geschichten und beiläufige Beobachtungen zwischen Ost und West, in der Zeit zwischen Mauerbau und Mauerfall. Sie sind radikal subjektiv erzählt, meist aus der Perspektive einer im Osten Berlins geborenen und aufgewachsenen Frau, die im Dezember 1961 kurz nach dem Mauerbau als einzige ihrer Familie in den Westen geflohen ist.
240 Seiten, Fadenheftung, Klappenbroschur
einige farbige Bilder
Preis: Euro 9,90
ISBN 978-3-88769-375-6
Februar 2009
Weitere Informationen:
konkursbuch Verlag, Babett Taenzer
Postfach 1609, 72006 Tübingen, Tel. 07071/66551,
Biografie Sigrun Casper:geb. 1939 in Kleinmachnow, lebt in Berlin. Ende 1961 Flucht nach Westberlin Kunst- und Pädagogikstudium, bis 1994 Lehrerin an einer Lernbehindertenschule. Sie publizierte Jugendbücher (Der Springer über den Schatten – Gleich um die Ecke ist das Meer). 1999 erschien der Roman „Handschrift eines Mordes“, 2000 die Erzählungen „Bleib, Vogel“, 2002 der Roman „Salz und Schmetterling“ sowie das Jugendbuch „Sumsilaizos“, 2004 Kurzgeschichten „Zweisamkeit und andere Wortschätzchen“. Ausstellungen mit Malerei und Fotografie.
Pressestimme zu „Chagall ist Schuld“:
So, als säße man mittendrin, beschreibt sie auch die weltoffene bunte Atmosphäre im legendären Pressecafé.
In den Geschichten werden die Risse und Brüche deutlich, die von der Teilung herrühren. Um Notlügen geht es, um Versteckspiele, um Trotz und Trauer. Auch darum, dass der Westen keineswegs nur golden war. Ihre sensiblen Beobachtungen kleidet die Autorin in klare schöne Sätze.“ (Tagesspiegel, 17.07.09)
Die Autorin beherrscht die Kunst der genauen und oft humorvollen Beschreibung selbst bei der Schilderung ihrer DDR-Flucht als „verkleidete Schweizerin“ und den späteren Begegnungen mit den „Grepos“ an der DDR-Grenze. Dabei - und das macht den Wert dieses Buches aus - verfällt sie niemals in das Klischee der Häme oder der Abrechnung. ... Sie beschreibt aber das Leben, den Alltag derart souverän und konkret, dass der „gelernte DDR Bürger“ schmunzelnd und wütend und nickend und kopfschüttelnd sagen kann: „Ja, so wars!“ (Landolf Scherzer, TLZ 20.03.09)