Der Systemkritiker Jürgen Fuchs ist aus dem Literaturgeschehen der DDR nicht wegzudenken. Als Schriftsteller, Essayist und Lyriker hat er sich stets auch durch seine kritische Haltung gegenüber
einem Regime ausgezeichnet, das dem Individuum das Recht auf Selbstbestimmung absprach.
Auf seinem Grabstein auf dem Heidefriedhof Mariendorf stehen drei Worte, die das Leben von Jürgen Fuchs, diese authentische Stimme des Widerstands gegen Diktatur und Willkür, trefflich
beschreiben: „Ich schweige nicht!“. Der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses, Walter Momper, sagt über Jürgen Fuchs: „Bis zu seinem frühen Tod hat Jürgen Fuchs für die Aufklärung über
das Unrecht, das in der DDR geschah, gekämpft“.
Nach einem gemeinsamen Auftritt mit Bettina Wegner und Gerulf Pannach, dem Texter der Band Renft, wurde er aus der SED ausgeschlossen. Kurz vor dem Abschluss seines Studiums - die Diplomarbeit
war schon mit „sehr gut“ bewertet worden - wurde Jürgen Fuchs wegen seiner Gedichte und Prosawerke vom Disziplinarausschuss der Friedrich-Schiller-Universität Jena zum „Ausschluss von allen
Universitäten, Hoch- und Fachschulen der DDR“ verurteilt und zwangsexmatrikuliert. Eine Arbeit als Psychologe war damit nicht mehr möglich. Nach seiner politischen Exmatrikulation am 17. Juni
1975 zog die Familie in das Gartenhaus von Katja und Robert Havemann nach Grünheide bei Berlin.
Nach Protesten gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann wurde Jürgen Fuchs am 19. November 1976 verhaftet, zwei Tage vor Gerulf Pannach und Christian Kunert, deren Band Renft im Herbst 1975
verboten worden war. Nach neun Monaten Haft im Gefängnis des MfS in Berlin-Hohenschönhausen und internationalen Protesten wurden Pannach, Fuchs und Kunert unter Androhung langer Haftstrafen
zur Ausreise gezwungen und nach West-Berlin entlassen. Hier arbeitete Jürgen Fuchs als freischaffender Schriftsteller und seit 1980 auch als Sozialpsychologe im Projekt Treffpunkt Waldstraße,
einer Kontakt- und Beratungsstelle für Problemjugendliche. Er engagierte sich in der Friedensbewegung und hielt Verbindung zur unabhängigen Friedens- und Bürgerbewegung in der DDR, zur
tschechischen Charta 77 und zur polnischen SolidarnoϾ und thematisierte Tabus des realen Sozialismus wie die Staatssicherheit und den Freikauf von Gefangenen. Das MfS leitete 1982 ein
Ermittlungsverfahren gegen Jürgen Fuchs ein und setzte ihn und seine Umgebung zahlreichen „Zersetzungsmaßnahmen“ aus. Dazu zählten eine Bomben-Explosion vor seinem Haus 1986 und die Sabotage der
Bremsschläuche seines Autos. Planungen der Hauptabteilung VIII des MfS für Observation und Transitverkehr von 1988 sahen sogar die Installation einer radioaktiven Quelle in Fuchsʻ Wohnhaus
vor.
Seit dem Fall der Mauer bemühte sich Jürgen Fuchs besonders um die Aufklärung der Verbrechen des MfS. Er arbeitete zeitweilig im Bereich Bildung und Forschung des Beauftragten für die Unterlagen
des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU), dessen Beirat er 1997 aus Protest gegen die Beschäftigung ehemaliger Stasi-Mitarbeiter verließ.
Aufsehen und Kritik erregte Jürgen Fuchs, als er im Dezember 1991 das, was die Staatssicherheit mit politischer Haft und „Zersetzungsmaßnahmen“ gegen wenigstens sechs Millionen Menschen in der
DDR bewirkt hatte, mit dem Begriff „Auschwitz in den Seelen“ bezeichnete.
1999 starb er mit nur 48 Jahren an Leukämie.
Die Einsamkeit des Dissidenten
Jürgen Fuchs und die Oppositionellen in der DDR
"Wer die Grenze überschritt, musste das normale DDR-Leben
hinter sich lassen." Wolfgang Templin, Roland Jahn und Esther Dischereit über Dissidenz in der DDR
friedlicherevolution.de, 18.5.2009
Wenn ein Staat Angst vor Worten hat. Jürgen Fuchs, Schriftsteller, war aus Sicht der SED und der Stasi der Staatsfeind Nr. 1.
1973 wurde er Mitglied der SED -- und schrieb Gedichte. Kurz vor seinem Universitätsabschluss wurde Jürgen Fuchs politisch zwangsexmatrikuliert. Aus der SED war er bereits ausgeschlossen.
Nach Protesten gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann wurde Jürgen Fuchs am 19. November 1976 verhaftet. Nach neun Monaten Haft im Gefängnis des MfS in Berlin-Hohenschönhausen wurde Fuchs zur
Ausreise gezwungen und nach West-Berlin entlassen.
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Zum Anhören
»Das Ende einer Feigheit – Eine Veranstaltung zum 60. Geburtstag von Jürgen Fuchs«
Hörbuchpräsentation und Podiumsgespräch gemeinsam mit Deutschlandradio Kultur / Deutschlandfunk und Hörbuch Hamburg.
Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, 16.12.2010
Berlin, 16.12.2010
Begrüßung durch Rainer Eppelmann, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
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Vor der Podiumsdiskussion wird eine Lesung von Jürgen Fuchs für den RIAS eingespielt - "Die Fassade"
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Vor der Diskussion liest Herta Müller ihr Essay „Der Blick der kleinen Bahnstation"
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Beginn der Podiumsdiskussion
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Nach der Diskussion singt Wolf Bierman vier Lieder:
Nr. 1 - "Ich möchte, wenns mich müdet, einen Wein"
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Nr. 2 - "Melancholie"
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Nr. 3 - "Totenlied für Jürgen Fuchs"
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Nr. 4 - "Mich wundert"
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